Seit 2012 ist Johann Nikolaus Kampermann Lehrer für die Fächer Evangelische Religion und Deutsch am Hochrhein-Gymnasium in Waldshut, Baden-Württemberg. In seinem religionspädagogischen Studium in Greifswald, Göttingen und Bern lernte er die Onlineplattform rpi-virtuell als Austauschmedium für Religionspädagogen und als Unterrichtsinstrument kennen und nutzen. Seine Studienschwerpunkte waren Lernwissenschaft, Medienpädagogik und Kompetenzorientierung. Im Theo-Web folgte ein Beitrag…
rpi-User im Blickpunkt: Johann Nikolaus Kampermann – Interreligiöses Online-Lernen
Seit 2012 ist Johann Nikolaus Kampermann Lehrer für die Fächer Evangelische Religion und Deutsch am Hochrhein-Gymnasium in Waldshut, Baden-Württemberg. In seinem religionspädagogischen Studium in Greifswald, Göttingen und Bern lernte er die Onlineplattform rpi-virtuell als Austauschmedium für Religionspädagogen und als Unterrichtsinstrument kennen und nutzen. Seine Studienschwerpunkte waren Lernwissenschaft, Medienpädagogik und Kompetenzorientierung. Im Theo-Web folgte ein Beitrag zum Diskurs religiöser Kompetenzentwicklung (pdf). In seinem Referendariat erprobte er in einer zehnten Klasse des Gymnasiums die Möglichkeiten des E-Learnings mit rpi-virtuell im Zuge der Unterrichtseinheit „Buddhismus“. Das auf der rpi-virtuell-Plattform zugängliche Portfolio „Dharma virtuell“ zeigt seine praxiserprobten Ideen und Vorschläge zur Gestaltung einer Unterrichtseinheit im virtuellen Klassenzimmer.
Interview mit Johann Nikolaus Kampermann über die Unterrichtseinheit „Dharma virtuell“ – E-Learning in der Unterrichtseinheit „Buddhismus “
rpi-virtuell: Herr Kampermann, Sie sind Gymnasiallehrer in Waldshut, und haben in einer Unterrichtseinheit zum Thema Buddhismus unser E-Learning-Angebot genutzt. Gleichzeitig existieren auf dem religionsdidaktischen Markt bereits viele qualitativ hochwertige Unterrichtsideen für analogen Unterricht. Warum haben Sie in Ihrem Unterricht das Angebot von rpi-virtuell eingesetzt?
Kampermann: Die Medien beobachten derzeit eine digitale Revolution an der Schule. Diese geht mancherorts bis zur Ersetzung der Kreidetafeln durch interaktive Whiteboards. Sicher muss man sich hier – egal ob Trend oder nicht – immer fragen, ob eine computerbasierte Einheit speziell für den Unterrichtsgegenstand lohnend ist. Die Entscheidung für das E-Learning mit dem virtuellen Klassenzimmer von rpi-virtuell fiel vor allem aufgrund von zwei Punkten: Zum einen ermöglichte das Diskussionsforum von rpi-virtuell eine dialogische Auseinandersetzung zwischen verschiedenen Buddhisten in Deutschland und den Schülerinnen und Schülern. Auf der Basis ihres erworbenen Wissens über den Buddhismus konnten die Schüler eine Vielzahl von Fragen an Dialogpartner zu stellen und sich intensiv und nachhaltig mit den schriftlich fixierten Antworten zu beschäftigen. Darüber hinaus konnte das virtuelle Klassenzimmer die Medienkompetenz der Schüler und den gewinnbringenden Umgang mit der Informationsfülle des Internets besonders fördern.
rpi-virtuell: Wie genau haben Sie das virtuelle Klassenzimmer dazu genutzt?
Kampermann: Das virtuelle Klassenzimmer oder auch Onlineseminar kann man sich als großen Werkzeugkoffer vorstellen. Via sogenannter E-Tools konnten die Schülerinnen und Schüler gemeinsam ihr Bild der Fremdreligion „Buddhismus“ zusammentragen und aushandeln. In Themenmappen konnten sie ihr Expertengebiet ihren Mitschülern anschaulich präsentieren, über das Internet unterschiedliche Medien wie z.B. Videos, Bilder oder Lieder einbinden. Sie stellten sich bspw. Fragen wie: Was für buddhistische Feste gibt es? Welche Bedeutung haben sie? Gibt es vergleichbare Feste im Christentum? Warum feiern Religionen Feste? Und würde ich an einem religiösen Fest der Fremdreligion teilnehmen? Mit Evaluationsbögen konnten sie beispielsweise zur Weiterentwicklung der Arbeiten ihrer Mitschüler beitragen. Damit erreicht E-Learning das Zentrum des Religionsunterrichtes: Den Austausch über religiöse, weltanschauliche oder gesellschaftliche Fragen, immer mit dem Ziel einer eigenen Positionierung und in Auseinandersetzung mit unseren eigenen, aber auch den fremden Traditionen.
rpi-virtuell: Ein ungewöhnlicher Weg des interreligiösen Lernens…
Kampermann: Die interreligiöse Begegnung jenseits von Schulbüchern wird dann wirklich wichtig, wenn das eigene erworbene Wissen in der Begegnung mit Buddhisten angewendet und zugleich auch hinterfragt werden kann. Da stellen die Schüler plötzlich fest, dass das feste Konzept vom Buddhismus mit seinen vier edlen Wahrheiten und dem achtfachen Pfad für das Verstehen von buddhistischer Religiosität in Deutschland nicht hinreicht und nur Verstehensgerüst sein kann, um „den“ Buddhismus zu erfassen. Religion ist vielseitig, Buddhismus wird unterschiedlich gelebt.
rpi-virtuell: Nun ist eine virtuelle Begegnung mit Buddhisten sicher nicht mit einer authentischen Begegnung in einem buddhistischen Tempel oder Zentrum zu vergleichen. Wenn man an einen lebendigen interreligiösen Dialog denkt, fällt es schwer ein Chatfenster der persönlichen Begrüßungsgeste vorzuziehen. Kann das E-Learning hier mithalten?
Kampermann: Ich denke ebenso, dass hier ein Vergleich schwer fällt. Ich denke aber auch, dass es hier gar nicht um das Mithalten bzw. Abwägen zwischen zwei Lernformen gehen sollte. Beide Zugänge – ob virtuell oder analog – sind adäquate Zugänge, sich dem Buddhismus zu nähern. Beide Lernwege haben ihre Eigenheiten und damit ihre jeweiligen Vorzüge. Die Antworten der Dialogpartner im Diskussionsforum des virtuellen Klassenzimmers konnten gemeinsam ausführlich reflektiert werden, auch die Schülerinnen und Schüler kamen zum Zuge, die in einem buddhistischen Zentrum vielleicht nicht zu Wort gekommen wären oder dieses nicht ergriffen hätten. Zudem kamen im Forum ganz unterschiedliche buddhistische Strömungen zusammen: ein einzigartiges Gegenüber. Buddhismus als lebendig gelebte Religion zu be-greifen gelingt hingegen am Besten in einer persönlichen Begegnung, bspw. bei einem Besuch eine Tempels oder eines Zentrums in der Region. Das Diskussionsforum hat aber auch gezeigt, dass hier eindrucksvoll persönliche Schilderungen möglich sind, die den Schülern geholfen haben, starre Bilder dieser Religion abzulegen und sich von den religiösen Biografien bewegen zu lassen. Betrachten wir die analoge und digitale Lernform aus diesem Blickwinkel, so erscheinen beide Formen authentisch im Sinne von „echt buddhistisch“ sowie im Sinne von „einzigartig“.
rpi-virtuell: Wie haben Sie die Dialogpartner ausgewählt?
Kampermann: Hier waren persönliche Kontakte entscheidend, ein Aufruf via Facebook brachte hilfreiche Tipps. Aber auch buddhistische Zentren können hier Kontakte vermitteln. Gut war sicher die Mixtur unterschiedlicher buddhistischer „Schulen“ unter den Dialogpartnern, sodass ein vielfältiges Bild des Buddhismus in Deutschland entstehen konnte. Von den vier Dialogpartnern hatten auch zwei bereits einen Erfahrungsschatz in der Begegnung mit Schulgruppen sammeln können. Auch dies ist sicher sinnvoll.
rpi-virtuell: Manch eine Lehrperson und manch ein Elternteil wünscht sich gerade die Reduzierung des Internets in der Schule, wenn für sie doch schon die Freizeit der Schülerinnen und Schüler medial überstrapaziert erscheint.
Kampermann: Jugendliche nutzen heute wie selbstverständlich das Internet. Es hat eine soziale Funktion und ist längst nicht mehr nur die große Suchmaschine. Angebote wie SchülerVZ, Facebook, Google+ oder MySpace erscheinen hier als Ausdrucks- und Suchmöglichkeiten der eigenen Identität: Wie präsentiere ich mich? Was für ein eigenes Bild habe ich von mir, wie nehmen mich wohl andere wahr? Medien wie der Computer, das Smartphone oder das Tablet gehören zum Leben der Jugendlichen, aber auch unsere Arbeitswelt und Kultur erfordert bestimmte Fähigkeiten im Umgang mit dem Netz. Das Internet darf nicht aus dem Unterricht ausgespart werden, weil unsere technisierte Welt eben genau hier Kompetenzen erfordert und diese zu einer kulturellen Schlüsselkompetenz werden lässt. Ein Ausschluss neuer Medien aus dem Unterricht wäre ein Ausschluss des selbstverständlichen Lebens der Schüler und die Vernachlässigung einer für sie wichtigen Kompetenzentwicklung. Gestalte ich allerdings netzbasierten Unterricht, so immer mit dem Ziel, dass die Schülerinnen und Schüler einen adäquaten Umgang mit den neuen Medien erlernen. Klar ist aber auch: Ein Unterricht, der die Verbindung von Kopf, Herz und Hand vermissen lässt, ist genauso unattraktiv wie ein Unterricht, der die Medienkompetenzentwicklung der Jugendlichen ihnen selbst überlässt.
rpi-virtuell: Welche Tipps können Sie neuen Nutzern im Umgang mit dem virtuellen Klassenzimmer geben, die solch eine jugendliche Selbstverständlichkeit (noch) nicht verspüren?
Kampermann: Die Schüler erkunden die Möglichkeiten schneller als die Lehrperson dies tut. Davon sollte man sich nicht verunsichern lassen. Das eigene Erproben und Ausprobieren gehört dazu, im Notfall steht der technische Support von rpi-virtuell bereit. Sicher ist auch ein thematischer Einstieg vor dem Einzug ins virtuelle Klassenzimmer wertvoll. Im Zentrum sollte die inhaltliche Auseinandersetzung stehen und nicht das E-Learning selbst. Empfehlenswert ist auch eine klare Begrenzung der Aufgaben und das Angebot von Hilfsmitteln bei einer allzu offenen Rechercheaufgabe – bspw. in Form von Stichwortlisten. Besser in einem kleinen Projektunterricht beginnen und die Nutzung so erproben.
rpi-virtuell: Sie haben Ihre Unterrichtseinheit dokumentiert und in einem E-Portfolio auf rpi-virtuell anderen Usern zugänglich gemacht. Was erwartet die User dort?
Kampermann: Das E-Portfolio dokumentiert und reflektiert die E-Learning-Einheit und stellt damit einen zu diskutierenden Vorschlag für die Ausführung solch einer Einheit dar. Neben Unterrichtsideen finden sich auch Verlinkungen zu möglichen Materialien, die im Unterricht eingesetzt werden können.
rpi-virtuell: Vielen Dank für das Gespräch und einen guten Start in das neue Schuljahr!
Hier geht es direkt zum E-Portfolio “Dharma virtuell”, das auch verwendet, kopiert, weitergegeben und vor allem weiterentwickelt werden darf!
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