Kinder- und Jugendtheologie: In der Forschungswerkstatt auf dem Weg zu Gott

Wissenschaftler der Universität Kassel haben ein bundesweit einmaliges und inzwischen auch international beachtetes Modell der Kinder- und Jugendtheologie entwickelt.„Ausgangspunkt des Konzeptes ist die Beobachtung, dass Kinder in der Regel eine positive Beziehung zum Religionsunterricht aufbauen und sich gerne und kreativ mit religiösen Fragen beschäftigen“, sagt Prof. Dr. Petra Freudenberger-Lötz vom Institut für Evangelische Theologie der…

Wissenschaftler der Universität Kassel haben ein bundesweit einmaliges und inzwischen auch international beachtetes Modell der Kinder- und Jugendtheologie entwickelt.„Ausgangspunkt des Konzeptes ist die Beobachtung, dass Kinder in der Regel eine positive Beziehung zum Religionsunterricht aufbauen und sich gerne und kreativ mit religiösen Fragen beschäftigen“, sagt Prof. Dr. Petra Freudenberger-Lötz vom Institut für Evangelische Theologie der Universität Kassel: „Doch im weiteren Verlauf der Entwicklung – insbesondere in der Pubertät – bricht diese Haltung sehr häufig.“ Naturwissenschaftliche Erklärungen würden vielen Jugendlichen plausibler erscheinen. Glaube werde als Illusion bezeichnet. Das Spannungsfeld zwischen der Erfahrung des Leids und dem Glauben an einen gütigen Gott, werfe Fragen auf, die oft keine Antwort fänden.

„Natürlich wandeln sich der Glaube und die Haltung gegenüber Religion im Laufe des Lebens“, erklärt Freudenberger-Lötz. „Doch scheint der Bruch im Jugendalter zwei zentrale Ursachen zu haben.“ Zum einen sei die Einstellung gegenüber Religion und Glaube durch Halbwissen und Vorurteile geprägt. Aus diesen Vorurteilen entspringe die Ablehnung. „Zum anderen finden junge Menschen kaum kompetente Gesprächspartner, wenn bei ihnen im Kindes- und Jugendalter erstmals existenzielle Fragen wach werden“, sagt die Leiterin des Fachgebiets Religionspädagogik am Kasseler Institut für Evangelische Theologie. „Dabei müssen diese Fragen thematisiert und theologisch beantwortet werden, wenn der Glaube die jungen Menschen auch im Erwachsenenleben begleiten soll.“

Hier setzt das „Kasseler Modell“ an, das sowohl Lehrenden als auch Schülerinnen und Schülern eine neue Perspektive auf den Religionsunterricht eröffnet und zu einer Qualitätssteigerung beiträgt. Kennzeichnend für das Modell ist die Arbeit in so genannten Forschungswerkstätten. Studierende unterrichten Schülerinnen und Schüler in kleinen Gruppen und führen eine kreative Form von Religionsunterricht durch, in denen die „Großen Fragen“ der Kinder und Jugendlichen ein besonderes Gewicht haben. Sie zeichnen alle Unterrichtsstunden mit der Videokamera oder einem Tonbandgerät auf, werten die Aufzeichnungen zeitnah aus und ziehen aus den Auswertungen für die kommende Unterrichtsstunde Konsequenzen. „Es handelt sich um einen prozessorientierten Unterricht, der Unterstützungen bieten will, eine angemessene Sicht religiöser Weltdeutung aufzubauen, die in den Diskurs über Weltanschauungs- und Glaubensfragen eingebracht werden kann“, erklärt Freudenberger-Lötz. Eine besondere Herausforderung liegt in den überraschend eingebrachten theologischen Fragen, die die Kinder und Jugendlichen stellen und die sie gemeinsam mit den Studierenden bearbeiten: Gibt es Gott? Begleitet mich Gott? Wie kann Glaube und Naturwissenschaft zusammen gedacht werden? Ist der Glaube nur eine Vertröstung? Warum gibt es Leid? Was ist der Sinn des Lebens?

Die Professionalisierung in theologischen Gesprächen stellt für das Lehramtsstudium nach dem „Kasseler Modell“ eine herausgehobene Aufgabe dar. Situationsangemessenes Agieren, eine eigene authentische Haltung sowie Fachwissen, didaktisches und methodisches Können sind in dieser Form des Unterrichts gefragt. In Kassel haben alle Lehramtsstudierenden die Möglichkeit, ab dem ersten Semester entsprechende Lehrveranstaltungen und Forschungswerkstätten zu besuchen. Von dieser Möglichkeit machen sie regen Gebrauch. Die Nachfrage steigt kontinuierlich, sodass jedes Semester, wenn möglich, mehrere parallele Veranstaltungen eingerichtet werden.

Studierende, die diesen Weg der Professionalisierung in theologischen Gesprächen eingeschlagen haben, zeigen nach Abschluss ihres Studiums bei ihrer täglichen Unterrichtsgestaltung große Erfolge hinsichtlich Schülerorientierung, Fachkompetenz und Flexibilität im Gespräch. „In der Forschungswerkstatt habe ich viel gelernt, was ich jetzt an der Schule umsetzen kann“, berichtet Katharina Burhardt, die an der Offenen Schule Waldau unterrichtet. Es gelingt ihr, die Vorerfahrungen und das Interesse der Schüler/innen aufzugreifen und sie für den Religionsunterricht und die Beschäftigung mit religiösen Fragen und Themen zu motivieren.

Der innovative Ansatz für den Religionsunterricht ist in zahlreiche Publikationen eingeflossen und genießt internationale Anerkennung. Vor wenigen Monaten wurde ein französischsprachiger Dokumentarfilm produziert, in dem das „Kasseler Modell“ als einziges deutsches Modell der Kinder- und Jugendtheologie breit vorgestellt wird. Im Frühjahr 2011 waren zudem niederländische Experten an der Universität Kassel zu Besuch, um Anregungen für die Lehrerbildung zu erhalten.

Info
Prof. Dr. Petra Freudenberger-Lötz
Universität Kassel
Institut für Evangelische Theologie
Tel.: 0561/804-3499
E-Mail: freudenberger-loetz@uni-kassel.de

Quelle: idw Informationsdienst Wissenschaft

Jörg (rpi-News-Autor) Lohrer
Jörg (rpi-News-Autor) Lohrer
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