Am 30. April ist Walpurgisnacht. Ingo Koll ist den Ursprüngen nachgegangen. Sein Fazit: Hier begegnet uns keine alte mittelalterliche oder gar keltische Volkssitte, sondern es ist ein modernes Fest, für das Goethe, Bibi Blocksberg und die Gewerkschaften den Grund bereitet haben. "… kommt alle Jahre wieder und zieht einen Schweif an Publicity samt…
Walpurgisnacht am 30. April – Phantasie und Wirklichkeit
Am 30. April ist Walpurgisnacht. Ingo Koll ist den
Ursprüngen nachgegangen. Sein Fazit: Hier begegnet uns keine alte
mittelalterliche
oder gar keltische Volkssitte, sondern es ist ein modernes Fest, für das
Goethe, Bibi Blocksberg und die Gewerkschaften den Grund bereitet
haben.
"… kommt alle Jahre wieder und zieht einen Schweif an Publicity samt
erfundener Kelten, Germanen und von der bösen Kirche verfolgter Weiser
Frauen hinter sich her. Schuld sind Goethe, Bibi Blocksberg und
die Gewerkschaft. Das muss man wohl ertragen, aber kann sich immerhin
bilden und beten, dass es vorbeigeht."
Walpurgisnacht – Phantasie und Wirklichkeit
Die Heilige Walburga
Eigentlich war die Walpurgisnacht lediglich der Vorabend des regional
bedeutenden Festes der Heiligen Walburga. Diese war eine in Süddeutschland tätige Missionarin und Vorsteherin des Benediktinerklosters von Heidenheim und gilt als Nichte des Heiligen Bonifatius (s.u.).
"Walpurgisnacht" als Erfindung der Neuzeit
Die "Walpurgisnacht" ist eine relativ junge Überlieferung der
Neuzeit.
Während der Hexenverfolgungen pressten die Folterknechte das Geständnis
einer Beteiligung am Hexentreff mit dem Satan aus den Beschuldigten
heraus – damals kam das Datum der Walpurgisnacht nur ganz vereinzelt
unter allen möglichen anderen Zeitangaben vor.
"Blocksberg" oder auch
"Heuberg" waren in einigen Regionen Bezeichnungen für Orte, an denen
dieses Geschehen stattgefunden haben soll – wobei es sich aber nicht um
denselben Berg handelt. Selbst in den Hexenprozessen des Harzraumes
wurden unterschiedliche Berge als "Blocksberg" benannt, der Brocken
spielte keine Hauptrolle.
17. – 19. Jahrhundert: Goethe und andere stricken am Mythos
Erst Johann Praetorius, ein phantasiebegabter
Bestsellerautor des 17. Jahrhunderts, wählte
den Brocken als Ort des "Blocksberges" und machte ihn so als Hexenort
populär. Mit
Goethes "Faust" erhielt die Vorstellung des Hexentanzes auf dem
Brocken
zur Walpurgisnacht dann ihre höhere Weihe und stieg zu einem Topos der
literarische Bildung auf.
Im späteren 19. Jahrhundert begannen dann
findige Gastwirte im Harz, Feste zur Walpurgisnacht zu
veranstalten.
Seit die Gewerkschaften den 1. Mai als allgemeinen
Feiertag
durchsetzten, konnte der Vorabend zum beliebten Termin für Feste aller
Art werden ("Tanz in den Mai").
20. Jahrhundert: Hexen als Sympathieträgerinnen
Die Wandlung des Hexenbildes durch
Autoren des 20. Jahrhunderts ("Die kleine Hexe", Bibi Blocksberg)
schuf die Grundlage für die Popularisierung des Themas und trug zur
Entstehung der zeitgenössischen Feiersitte bei. Aus der feministischen
Bewegung taten die Bemühungen zur
Interpretation der Hexen als "Weiser Frauen" oder gar als
Nachfolgerinnen der Priestinnen vorchristlicher Göttinen ein Übriges
dazu.
Weiterlesen
-
EZW-Materialdienst: "Mythos Walpurgisnacht"
Recht nüchtern, aber gut belegt zeichnet Thomas P. Becker die Erfindung des Hexentanzes zum Datum
Walpurgisnacht seit den Hexenverfolgungen in der Neuzeit bis hin zu
ihrer Popularisierung durch Goethe und Otfried Preußler nach – mehr
- Wikipedia: "Walpurgisnacht"
Ein abschreckendes Beispiel für die Behandlung des
Themas ist der
derzeitige Zustand des einschlägigen Wikipedia-Artikels: Die Kelten haben hier nichts zu suchen, als
neuzeitliche Sage geht der Hexentanz zur Walpurgisnacht sicher nicht auf
vorchristliche Bräuche zurück, Internet-Klatsch wird unbelegt
wiedergegeben – mehr
- Wikipedia: "Walburga"
Zur Ehrenrettung der Wikipedia sei hier auf den lesenswerten
Artikel
zur Heiligen Walburga selbst verwiesen, die dem Anlass immerhin
den Namen
gab und offenkundig eine bemerkenswerte Frau war – mehr
Das Foto zeigt den Kreuzgang im fränkischen Kloster Heidenheim (Wikipedia: mehr).