Drei aktuelle Jesusverfilmungen im Vergleich
Aktuelle Jesus-Filme
Dass der Heiland für Filmschaffende inzwischen wieder lohnend ist, zeigen aktuelle Jesusverfilmungen (2015-2016). Ein schulisches Zielpublikum ab etwa 15 Jahren kann bei den hier vorgestellten drei neuen US-Spielfilmen vergleichen: die machen sich immerhin noch die Mühe – im Unterschied zu vergegenwärtigender Parodie (“Jesus liebt mich“, 2012) oder phantasy-dramatisiertem Theologisieren (“Die Hütte“, 2017) – Jesus in seinem konkreten geschichtlichen Kontext aufzusuchen. Damit ergibt sich ein wichtiger Referenzpunkt für den Religionsunterricht – schon allein der Blick in das “Drehbuch”, die Evangelientexte, verheißt Bildungsgewinne:
- wie gehen die Verfilmungen mit der biblischen Vorlage um (Auswahl, Weglassen, Hinzufügen, Umgestalten)?
- was erzählen sie uns über die Lebensumstände von damals, wo liegen Unterschiede und Gemeinsames zur Welt von heute?
- welchen Typ des Erlösers zeigen sie uns und warum (ikonografisch: Bildertraditionen der Kunstgeschichte)?
- worauf legen sie ihren Schwerpunkt bei der Botschaft und beim Wirken des Gottessohnes (und wie machen sie das für heute aussagefähig)?
Inhaltsbezogene Kompetenzen im RU-Bildungsplan: Gerade, wo mehr Zeit (auch für Projektarbeit) zur Verfügung steht, bietet sich nach dem 2016-Bildungsplan des Evang. Religionsunterrichtes dafür die Gelegenheit – im 4stündigen Neigungsfach der gymnasialen Kursstufe: Schülerinnen und Schüler können im Bereich “Jesus Christus” “ausgehend von biblischen Überlieferungen die Bedeutung Jesu Christi auf” zeigen und setzen sich “mit der Rezeption der Gestalt und Botschaft Jesu Christi (zum Beispiel in Kunst, Musik, Geschichte, Literatur, …) auseinander“ (B.-W., TK 4). Im wesentlich kürzeren Unterricht des gemeinsamen Bildungsplans Kl. 10 am Ende der Sekundarstufe I gehören Filme beim Bereich “Bibel” ausdrücklich zu den Beispielen der “Rezeption biblischer Texte und Motive in Medien” (B.-W., TK 1) aus der Wirkungsgeschichte, die Schülerinnen und Schüler “beschreiben” (E), “erläutern” (M) können und zu ihnen “kritisch Stellung nehmen” (E). Die aufgeführten möglichen Bibeltexte erlauben mit Mt 1-2; Lk 1-2; Mt 25-28; Mk 14-16; Lk 22-24; Joh 19-21 die Auswahl von Jesu Geburt, Kreuz und Auferstehung.
- “40 Tage in der Wüste” Spielfilm, USA 2015, 95 min, FSK: 12, Regie: Rodrigo García – “Jesus sucht in der Wüste nach Stille und Erleuchtung. In der Ödnis trifft er auch auf den Teufel, der bei dem heiligen Mann Zweifel säen will. Jesus trifft schließlich auf eine kleine Familie. Sorgen und Ratlosigkeit bestimmen den Alltag dieser Menschen. Jesus bleibt bei ihnen und wird für sie zu einem geduldigen Zuhörer und Vermittler. Aber der Teufel lässt nicht von Jesus ab und stellt ihn vor eine schwere Bewährungsprobe. Während die Familie um das eigene Überleben ringt und es zwischen dem Vater und dem Sohn zu einem Streit kommt, geschieht etwas, was den Weg dieser Menschen auf einen Schlag verändert. ” (nach: lingua-video.com, Bezugsquelle des Films mit Bildungslizenz)
Der Spielfilm legt mit z.T. bekannten Schauspielern die visionäre Schilderung der Versuchung Jesu in der Wüste aus, die die synoptischen Evangelien gemeinsam haben (Mt und Lk ausführlicher). Der Satan wird als “alter ego” in der Doppelrolle des Jesusdarstellers gespielt, dazu kommt (so nicht in der Bibel) eine Handlung, die sich als eine Art “Familienaufstellung” betrachten lässt und mit ihren Themen Vaterbeziehung und Selbstständigwerden sicherlich an schulisches Zielpublikum anknüpfen kann. Eingebettet ist dieses als eine Art Kammerspiel in eindrückliche Landschaftsaufnahmen. Die theologisch-filmanalytisch gewinnbringende Erschließung der Christologie, die ihre Energie aus der auf die Probe gestellte Vaterbeziehung des Gottessohnes gewinnt, stellt die Lehrkraft in Klassen der Sekundarstufe 2 vor eine didaktische Aufgabe, zu der man sich helfende Unterrichtsmaterialien wünschen würde. Das Medium ist zumindest mit einer Kapiteleinteilung und im Bonusmaterial mit einer Featurette (Kurzäußerungen von Schauspielern und Filmschaffenden zu ihren Intentionen) ausgestattet. Deutsche Film- und Medienbewertung: “Prädikat: wertvoll”. Filmkritik bei epd-filmdienst (24.03.2017)
- “Auferstanden (Risen)“ Spielfilm, USA 2015, 103 min, FSK: 12, Regie: Kevin Reynolds –
“Der ehrgeizige und erfolgreiche römische Militärtribun Clavius ist in Jerusalem stationiert. Vom Präfekten der Provinz, Pontius Pilatus wird er beauftragt, in der Hauptstadt für Ruhe zu sorgen. So schickt er Clavius und dessen Adlatus Lucius zu einer Kreuzigung, die für Aufruhr in der Stadt sorgt, weil einer der drei Verurteilten Gerüchten zufolge ein neuer König der Juden oder gar der Messias sein soll. Kurze Zeit nach dem Tod des Verurteilten macht sich das Gerücht in der Stadt breit, dieser Jeshua sei wieder auferstanden. Pilatus, der auch von Kaiphas, dem Vertreter des Hohen Rates der Juden, dazu angetrieben wird, beauftragt Clavius, der Sache auf den Grund zu gehen und die verschwundene Leiche wiederzufinden. Clavius versucht, einem Detektiv gleich, Jeshua und seine Anhänger aufzuspüren. Der anfangs skeptische Römer gerät durch die Begegnungen mit den Jünger zunehmend in Zweifel, ob es sich wirklich nur um ein Gerücht handelt. Er schließt sich den Jüngern an, um dieser Geschichte endgültig auf den Grund zu gehen.” (Matthias-Film, Bezugsquelle mit Bildungslizenz als DVD educativ mit Unterrichtsbegleitmaterial)
Eine im Großen und Ganzen plausibel wirkende Geschichte im Umfeld des historischen Jesus. Interessant und anregend für den Unterricht ist die Wahl der Perspektive einer außenstehenden Person, eines römischen Tribuns als Helfer des Pilatus in der unruhigen Provinz Palästina. Dadurch kann an das Genre von Kriminalfilmen (Ermittlungsarbeit etc.) angeknüpft werden. Dennoch bleiben die Konturen der Evangelienberichte über den Heiland erkennbar, einige Elemente werden rekombiniert und umgestellt, anderes sozusagen aus der biblischen Überlieferung “extrapoliert”. Weniges wird auch aus dem späteren Traditionsverlauf eingetragen (im Einzelfall könnte das auch zu im Unterricht unbedingt auszuräumenden Missverständnissen führen, etwa beim Turiner Grabtuch). Die Vorab-Kenntnis zumindest der Passions- und Osterüberlieferung der Evangelien ist empfehlenswert, um hier die Regiearbeit gewinnbringend einschätzen zu können. Auch Kampf- und Tötungsszenen begegnen in Actionmanier, sind aber nicht von der ausführlichen Brutalität wie in Mel Gibsons “Passion of Christ” (2004). Die Filmproduktion steht unter dem Vorzeichen US-evangelikaler Mission, was im Begleitmaterial begrüßenswerterweise durch filmanalytische Informationen und -aufgabenstellungen aufgegriffen wird. Es arbeitet auch sonst verstärkt mit der Filmwirkungsanalyse. Mit ihr wird auch historisch-kritisches Bibelverständnis transportiert, nämlich indem an einzelnen Figuren Vergleiche von realer Überlieferung und filmischer Fiktion angestellt werden. Die 11 Filmkapitel werden im Begleitmaterial als separate Dateien angeboten, was für die arbeitsteilige datenträgerunabhängige Schüler*innenarbeit in Sek. II von Vorteil ist. Filmbesprechung bei Pro-christliches Medienmagazin Wetzlar (16.03.2016)
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“Der junge Messias” Spielfilm, USA 2016, 111 min, FSK: 12, Regie: Cyrus Nowrasteh – “Er ist erst sieben Jahre alt und doch reicht ein Wort von ihm, um einen Gegner niederzustrecken oder eine Berührung, um Menschen ins Leben zurückzuholen. Jesus spürt schon als Kind, dass er anders ist als die anderen. Als Maria und Josef von Alexandria nach Galiläa zurückkehren, heilt Jesus vor allen Augen seinen Onkel. Dieses Wunder verbreitet sich wie ein Lauffeuer und der römische Centurio Severus erhält den Auftrag, das Kind zu töten. Jesus versteht nicht, warum er verfolgt wird und bestürmt seine Eltern mit Fragen über die Herkunft seiner besonderen Fähigkeiten…” (nach: lingua-video.com, Bezugsquelle mit Bildungslizenz).
Wie Jesus so als Kind war? Die Frage beantworten die Evangelien ja mit nur vereinzelten Legenden, und der Spielfilm nimmt sie zum Anlass, um die Lücken zu füllen und eine Kindheitsgeschichte plausibel in Szene zu setzen. Obwohl das natürlich auf weiten Strecken spekulativ ist, werden doch damalige Lebensverhältnisse ungefähr zutreffend erlebbar (z.B. die Herrschaftsstrukturen oder die Einstellung zu Wundern etc. – Herodes ist ein Liebhaber der Zauberei). Die Legenden immerhin (besonders handlungsprägend: der Kindermord von Bethlehem) lassen sich, wenn auch etwas variiert, wiedererkennen – sicher aber nur von schulischen Zielgruppen, denen sie bereits aus der Bibel vertraut sind. Als ein junger Mensch, der mit einer außergewöhnlichen Vorprägung leben lernen muss und große Fragen an das Leben hat – dieser Jesus wird womöglich einiges an Identifikationspotential bereithalten. Der Film bemüht sich in durchaus frommer Orientierung , Jesus als großen Menschenfreund und friedensliebend/gewaltfrei darzustellen – zu einer Filmdramaturgie gehören aber natürlich schon auch Kampfszenen und unschöne Auseinandersetzungen. Die vom biblischen Jesus gepredigte Änderung der Lebenseinstellung (“Tut Buße..”) wird seelisch besonders deutlich am römischen Zenturio zu zeigen versucht: schon als Kind hat der Heiland eine machtvolle Ausstrahlung, die zwar nicht lammfromm macht, aber immerhin auch die Staatsmacht irritieren kann. Als großer Gegenspieler wird geheimnisvoll ein blondierter blauäugiger Teufel in Szene gesetzt – für Orientalen muß ein solcher wohl so aussehen und angesichts des bei Jesus durchaus dualistisch anzunehmenden Weltbildes ist eine solche Figur sachlich legitim. Fantasy-Bestsellerautorin Anne Rice, die zu ihrer irisch-katholischen Prägung zeitweise nicht nur positiv steht, lieferte mit “Out of Egypt” (2005, dt. Jesus Christus. Rückkehr ins Heilige Land, 2007) die Buchvorlage zum Film. Obwohl der Hauptdarsteller ein Kind ist: die Relevanz dieses Jesusbildes dürfte sich erst ab Ende Sek. I erschließen -in kritisch-vergleichender Absicht durchaus lohnend. Filmkritik bei epd-Filmdienst (21.04.2016)
➡ Buchtipp: Der Sammelband “Jesus als Christus – im Religionsunterricht. Experimentelle Zugänge zu einer Didaktik der Christologie” (hgg. Rudolf Englert, Friedrich Schweitzer, Göttingen 2017) beinhaltet einen 15seitigen Beitrag von Reinhold Zwick “Opferlamm und Weltenretter. Jesus Christus im Film” (für dieses Thema wertet er insbes. Fantasy-Verfilmungen wie “Der König von Narnia”, “Harry Potter” und “Herr der Ringe” aus).
Bildquellen:
- 40 Tage in der Wüste: DVD-Cover "40 Tage in der Wüste" © Lingua Video mit frdl. Gen.
- Auferstanden: DVD-Cover "Auferstanden" (Risen), © Matthias-Film mit frdl. Genehmigung
- DVDCover Der junge Messias: © Lingua-Video mit frdl. Gen.