"THE CLEANERS":die preisgekrönte Doku (2018) bietet aufwändig recherchierte Aufklärung, wie soziale Netzwerke mit schmutzigen und brisanten Inhalten im Internet umgehen: Das Saubermachen lassen sie junge Philippinas erledigen. Darunter fallen nicht nur ekelhaft-perverse und grausame Bilder, sondern auch Unerwünschtes in den Augen politisch repressiver Systeme.
Putzfrauen des Internet – wer räumt den Dreck weg?
“THE CLEANERS ist eine Reise in eine versteckte Schattenindustrie in Manila mitten in das Herz digitaler Zensur – dorthin, wo das Internet von kontroversen Inhalten „gesäubert“ werden muss. Wer kontrolliert, was wir sehen und was wir denken?” (Pressetext: © farbfilm verleih GmbH 2018)
Doku von Moritz Riesewieck und Hans Block, Deutschland / Brasilien 2018, 88 min., FSK 16, Dt. Untertitel
Bedrückend liefert die aufwändig recherchierte und gestaltete Dokumentation bislang kaum bekannte Aufklärung über den Umgang globaler kommerzieller sozialer Netzwerke mit nicht akzeptierten Inhalten: Privates (vor allem Bild-)Material mit entwürdigenden und gewalttätigen (darunter auch sexuell perversen) Inhalten (z.B. Missbrauch von Minderjährigen) und entfesselte eskalierende Hassrede – aber auch Einiges von politischer Brisanz, das repressiven Regimes (Beispiel Türkei) ein Dorn im Auge ist oder Pogromstimmungen gegen Minderheiten (Beispiel Rohinga) anheizt sowie Terror (Beispiel IS) verherrlicht.
Konzerne wie Google oder Facebook haben die Entfernung solcher Inhalte empörenderweise gerade in solche Länder “outgesourct”, die auch sonst den Müll der westlichen Welt entsorgen müssen. Aus eigenem Antrieb kommen hier überwiegend asiatische Gesichter hinter solchem “Saubermachen” (wenn auch anonymisiert) zum Vorschein: ihre Prägung, Überzeugung und ihre Lebensumstände. Eine aktuelle US-Senatsanhörung der Verantwortlichen von Social-Media-Unternehmen (immer wieder in Teilen ausschließlich originalsprachlich eingeblendet) entlarvt wenig mehr als scheinheilige Ausflüchte, das Nachdenken einer einflussreichen (Ex-)Insiderin über die Grundsätze ihrer Löschungsentscheidungen spricht dagegen Bände.
Für den evangelischen Religionsunterricht wird gemäß aktuellen Bildungsplänen vor allem das Menschenbild berührt und es erlaubt ethisch-moralische Urteilsbildung. Und das kann durchaus im Kontrast dazu stehen, wie eine der Heldinnen aus ihrem philippinisch-katholischen Kontext Selbstaufopferung nach Vorbild der Passion zur Verhinderung des Bösen in der Welt ausdrücklich als Motiv für ihre Arbeit als “Content-Moderatorin” anführt. Denn psychische Probleme sowie erhöhte Selbstmordraten sind bei solcher Tätigkeit unablässigen Sichtens und Aussortierens von Bösem wohl an der Tagesordnung, wie der Film zeigt. Die Alternative der Slum-Bewohner besteht darin, in Bergen giftig-rauchenden Mülls nach Verwertbarem zu stochern. Bunt-rosige Utopien sozialer Netzwerke von der machbaren Verbesserung der Welt (der Gründer von Facebook, Mark Zuckerberg, wird als Beleg angeführt) dürfte angesichts der hier gezeigten dunklen Kehrseite deutlich an Überzeugungskraft einbüßen.
Wertvoll für die schulische Medienbildung, die gerade bei (selten explizit gezeigter, dafür eindringlich und authentisch erzählter) Grausamkeit durchaus eine erwachsene Analyse- und Einordnungefähigkeit verlangt (FSK 16, Einsatz des Films kommt nur in der Oberstufe in Frage), ist der direkte Bezug zu eigenem Mediennutzungsverhalten (Umgang mit Inhalten, Mechanismen von “Filterblasen”, Empörung als Treibstoff der sozialen Medien) sowie die lohnende Beteiligung an einer politischen Debatte, welche Zukunft des Web wir bei Erhalt demokratischer und humaner Bedingungen eigentlich wollen. Es wird klar, dass ein global-“privatwirtschaftlicher” Umgang mit belastenden Netzinhalten keine sinnvolle Option mehr sein kann.
arte berichtet hier in seinem Magazin “tracks” über den Film (6min30) und zeigt die Macher im Kurzinterview.
->Lingua Video gibt den Film für die Bildungsarbeit heraus, in Baden-Württemberg ist er landesweit für den schulischen Einsatz zum Download bereitgestellt (->SESAM). Die Bundeszentrale für politische Bildung stellt -> den Film zum Streaming in voller Länge bereit.
Das sinnvolle Filmpäd. Begleitmaterial (PDF ca. 6MB, im Lingua-Angebot enthalten) erkennt die Handlungsaufforderung in den Entscheidungen der “Contentmoderatoren” (belassen oder entfernen?) und setzt sie für Schülerinnen und Schüler kompetenzorientiert um. Es arbeitet textorientiert mit Zitaten und anregenden Arbeits- und Diskussionsfragen sowie filmologisch mit Szenebildern (dabei die hochwertige Machart des Films würdigend). Der fachspezifische Impuls (S.11) ist dagegen ausbaufähig und verlangt von der evangelischen Religionslehrkraft zusätzlich eigene Bemühungen.
Bildquellen:
- Kleinbild: © Lingua-Video.com mit frdl. Gen.
- Titelbild: Filmplakat THE CLEANERS © farbfilm verleih GmbH 2018