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Antwerpen, Ende des Mittelalters: der 12-jährige Storm wird in ein aufregendes Abenteuer verwickelt, als die Reformation in der Hafenstadt beginnt. Sein Vater bekommt den Auftrag, in seiner Druckerei einen Brief von Martin Luther zu drucken. Die Inquisition ist schnell zur Stelle. Der Drucker wird auf frischer Tat ertappt und so zieht es auch Storm in den Strudel der Ereignisse.
Der 2016 in den Niederlanden mit Unterstützung der Reformierten gedrehte Spielfilm (R.: Dennis Bots, 105 min., dt., NL 2016, FSK: 6 ) kommt ab 23. März in die Kinos. Er inszeniert für Kinder zum Anfang von Sek.I (etwa ab 10 Jahren empfohlen) anschaulich, spannend und altersgerecht unmittelbare Auswirkungen der Reformation im frühneuzeitlichen städtischen Umfeld und eignet sich gut, um im Religionsunterricht Luther zu seinem Jubiläum nach den Bildungsplänen attraktiv in den Unterricht zu bringen.
Er ist von “VisionKino” empfohlen. Und er ist als DVD mit ausführlichem didaktischem Begleitmaterial bei FriJus / Matthias-Film erhältlich. Daneben gibt es Schulmaterial gratis zum Herunterladen: ein fast 100seitiges Heft mit vielen Arbeitsmaterialien und praktischen Vorschlägen zur Arbeit mit dem Film im Unterricht (PDF, 9,1 MB). Zur Nacharbeit des Kinobesuchs (Schulvorstellung in Zusammenarbeit mit örtl. Kinobetreibern und farbfilm verleih GmbH) können Schüler*innen mit ihrem Smartphone auch interaktive Lernbausteine bei LearningApps.org nutzen. Lehrkräften werden mit der Gruppe “STORM und der verbotene Brief – Unterricht“ unterstützt, die bei rpi-virtuell bereit steht.
Den Film zeichnet ein ausgesprochenes Medialitätsbewußtsein aus, was evangelischen Religionsunterricht als Erbe einer 500jährigen Medienrevolution an seinen Beitrag zur heute wichtigen schulischen Medienbildung erinnern kann. Natürlich ist der Mediendiskurs in die Handlung implementiert, kann aber mit Schüler*innen dadurch wirkungsvoll, weil anschaulich vertieft werden: „Wer lesen kann, hat Vorteile“ – das scheint die Analphabetin Marieke zu lernen – allerdings auch das Gegenteil: die Zerstörung liebgewordener Hoffnungen (das Warten auf die Rückkehr ihres zur See fahrenden Vaters). Ihren Namen erfahren Storm und das Publikum übrigens auch erst im Lesen, ja mit dem Tagebuch der verstorbenen Mutter hat das Mädchen überhaupt erst eine eigene „verbriefte“ Geschichte. Schön, dass Storms Hilfsbereitschaft als ihr Leselern-Lehrer dann entscheidend zur Rettung des Lutherbriefs führt (er fertigt eine Übungsabschrift von der später konfiszierten Druckplatte an). Geistige Inhalte überhaupt erst durch (massenhaftes) Kopieren zu sichern, damit sie über das Original hinweg Verbreitungschancen haben, an dieser damals neuen Lernerfahrung gibt der Film Anteil und lädt zu Vergleichen mit heute ein. Reformierter Tradition entsprechend nimmt der Film besonders das Bild als religiöses Medium in den Fokus. Er bleibt dabei ausgewogen genug, wenn er den unterschiedlichen Gebrauch zeigt, den man in verschiedenen Verwendungskontexten von Bildern machen kann – und fällt damit nicht der schiefen Wertung anheim, als sei allein das (gedruckte) Wort gut und alles an Bildern schlecht. Auch Texte tragen Lüge oder Unheil weiter, wie etwa im Film ein Ablassbrief oder die Bekanntmachung einer Hinrichtung. Besonders im Kontrast des Edelporträts des grausamen und eitlen Inquisitors [2] zur schlichten Marienstatue des frommen einfachen Volkes (dem die beiden weiblichen Hauptrollen des Films zuzurechnen sind) wird die ganze Bandbreite der Bilderverehrung deutlich. Die gefühlsbetonte Hingabebereitschaft zur Gottesmutter wird durchaus sympathisch gezeichnet, allerdings auch in reformierter Perspektive gehörig „entmythologisiert“. Festhalten an Althergebrachtem kennzeichnet eine ganze Weile lang die Haltung von Storms Mutter. Unwillentlich stützt sie damit aber das repressive System kirchlicher Machtausübung über die Gewissen der Menschen – bis sie an der Lebensgefahr für ihren eigenen Mann merkt, dass man dem Unrecht widerstehen muss.
Mit welchen Mitteln – das wird an der wirklich starken Marieke filmisch erörtert. Als Straßenmädchen kann sie gekonnt klauen, sich mit Jungs balgen und zückt schon mal das Messer, schwingt jedoch als eigentliche Waffe ihre Schleuder, um mit präzisen Treffern die Verfolger auszuschalten und Storm zu retten. Ist die gewaltsame Gegenwehr eine christliche Option oder kommt hier die „David vs. Goliath“-Legitimation zum Tragen? Die Gegenseite kennt immerhin Foltermethoden, die an modernes „Waterboarding“ erinnern (zum Glück nur angedeutet zu sehen, das ist mit „FSK: 6“ wohl noch zu vereinbaren). Den eigentlichen Inhalt des Lutherbriefes spart sich der Film natürlich bis zum Schluß auf – das Filmpublikum wird zur Antwerpener Bevölkerung von damals, auf die die stärkende und ermutigende Kraft der Botschaft des Reformators erst mit dem Druck und seiner Verbreitung wirken kann. Hier erst ist die Komplettbegründung des Widerstandes gegen den Ablasshandel mit Luthers Rechtfertigungsglauben hörbar. Im Unterricht der 7. Klasse passt der Film beim Thema Reformation durchaus auch im Ganzen gut zu exemplarischer Kompetenzorientierung[3].
[1] Vielleicht haben Schüler*innen sich aber schon vorab mit dem veränderten Bibel-Verständnis von Gottes Gerechtigkeit als der reformatorischen Entdeckung beschäftigt und evaluieren ihre Sachkompetenz jetzt selbst (Lückentext: LearningApp)
[2] El Grecos Porträt des Kardinalinquisitors stand hier wohl Pate, vgl. Wikipedia Art. „El Greco malt den Großinquisitor“
[3] „Mittelalter“, „Reformation“ vgl. in Baden-Württemberg BP 2016 Sek.I Kl. 7/8 REV 3.2.6. Kirche und Kirchen (TK 2)und BP 2016 GY Kl. 7/8 REV 3.2.6 Kirche und Kirchen (TK 1)
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