Jeder sechste Neuntklässler – so die Ergebnisse einer repräsentativen Untersuchung des Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen (KFN) – beschäftigt sich täglich mehr als 4,5 Stunden mit Computerspielen. Damit rückt der suchtgefährdende Charakter dieser Spiele in den Vordergrund. Insbesondere gilt das für World of Warcraft, das bereits ab 12 Jahren frei gegeben ist. Computerspiele als jugendliches Leitmedium…
Empirische Forschung – Teil II: Jugendliche und Computerspiele
Jeder sechste Neuntklässler – so die Ergebnisse einer repräsentativen
Untersuchung des Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen
(KFN) – beschäftigt sich täglich mehr als 4,5 Stunden mit
Computerspielen. Damit rückt der suchtgefährdende Charakter dieser
Spiele in den Vordergrund. Insbesondere gilt das für World of
Warcraft, das bereits ab 12 Jahren frei gegeben ist.
Computerspiele als jugendliches Leitmedium – und Geschäft
Computerspiele sind ein echtes Geschäft: Inzwischen übersteigt der
weltweite Umsatz den, der mit Kinoproduktionen erreicht wird.
Gleichzeitig sind Computer- und Videospiele ein jugendliches
Leitmedium. Ein Junge der neunten Klasse, so die Untersuchung, spielt
rund an Schultagen eineinhalb Stunden Computerspiele, am Wochenende
über zwei Stunden.
Die Untersuchung
Rund 45.000 Schülerinnen und Schüler der 9. Klassen wurden in den Jahren 2007/08 für den ersten Forschungsbericht des
Bundesministeriums des Innern und des Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen (KFN)
befragt. Jeder dritte erhielt umfangreiche Fragen zur Internet- und Computerspielnutzung.
Die Ergebnisse werden vorgestellt im KFN-Forschungsbericht Nr. 108:
Florian Rehbein, Matthias Kleimann, Thomas Mößle (2009)
"Computerspielabhängigkeit im Kindes- und Jugendalter: Empirische
Befunde zu Ursachen, Diagnostik und Komorbiditäten unter besonderer
Berücksichtigung spielimmanenter Abhängigkeitsmerkmale" – mehr
Die Ergebnisse in der Übersicht
Spielen als beliebteste Tätigkeit am Computer – vor allem bei Jungen
- Rund 70% der Jugendlichen besitzen einen eigenen Computer, etwa die Hälfte eine Spielkonsole.
- Spiele
sind für Jungen die nach Fernsehen die zweitwichtigste
Freizeitbeschäftigung. Die durchschnittliche Spielzeit eines
Neuntklässers beträgt 141 Minuten. Rund 60% entfallen dabei auf
Online-Spiele. - Mädchen spielen mit rund einer Stunde täglich deutlich weniger als Jungen (S.15/16).
Problematische Mediennutzungsmuster bei Jungen
- Jungen ziehen dabei Spiele vor, die Kampf und Gewalt enthalten. Das gilt bereits für das Grundschulalter.
- Mit
27% der Nennungen ist das Shooterspiel Counterstrike das beliebteste
Spiel von Jungen in der 9. Klasse. Es ist erst ab 16 bzw. 18 Jahren
frei gegeben. Unter den ersten zehn sind weitere Spiele, die nicht für
diese Altersgruppe frei gegeben sind. (S.18). - Problematisch ist
auch der enorme Zeitaufwand. Zwischen hohen Mediennutzungszeiten und
schlechten schulischen Leistungen besteht ein statistischer
Zusammenhang. Zudem fehlt es den Heranwachsenden an Bewegung (S.6).
Faktoren für die Suchtgefährdung durch Computerspiele
- Nutzungsmuster und belastende Lebenswelt
Je
stärker Jugendliche angeben, Computerspiele besonders dann zu nutzen,
wenn es in ihrem Leben gerade "nicht so gut läuft", umso größer ist ihr
Risiko für eine Abhängigkeit. Auch die Erfahrung von familiärer Gewalt
verstärkt eine Suchtgefährdung. - Fehlen von Erfolg und Anerkennung
Das
gleiche gilt, wenn Jugendliche angeben, dass ihnen nur beim
Computerspielen etwas gelungen ist, worauf sie stolz sind. Auch
Schulangst sowie das Wiederholen einer Klasse erhöhen das Risiko (S.28).
Onlinerollenspiele als Risikofaktor
Folgende Merkmale erhöhen die Suchtgefahr eines Spiels:
- Belohnungen in Abhängigkeit von der mit dem Spiel verbrachten Zeit
- Nachteile für den Spielenden, wenn er nicht regelmäßig dabei ist
- ein Levelsystem, bei dem das Aufrücken viel Zeit und intensives Spielen erfordert
- eine komplexe Spielewelt, deren Erkundung und Nutzung ebenfalls Ausdauer und Zeitaufwand erfordert
- komplexe
Aufgabenstellungen, die nur kooperativ gelöst werden können und eine
Verpflichtung gegenüber der Mitspielergruppe bzw. Angst vor Sanktionen
wecken (S. 46).
World of Warcraft entfaltet "mit deutlichem
Abstand das größte Suchtpotenzial". Die tägliche Spieldauer beträgt bei
15-jährigen Jungen nahezu vier Stunden, ein Drittel spielt sogar mehr
als 4,5 Stunden am Tag (S. 1).
Konsequenzen
- Onlinerollenspiele sind als potenzielles Suchtmittel wie Glücksspiele mit Geldgewinnmöglichkeit einzuordnen.
- Der Jugendmedienschutz sollte Spiele generell auch in Hinblick auf die Abhängigkeitsproblematik untersuchen.
Spiele,
für die ein erhöhtes Abhängigkeitspotenzial empirisch belegt wurde (wie
World of Warcraft, Guild Wars), sollten nur für Erwachsene frei gegeben
werden (S.45). - Derzeit sind Jugendschutzprüfungen für
Onlinespiele in Deutschland noch nicht einheitlich geregelt, und es
gibt keine Kennzeichnungspflicht.
Die Regulierung sollte auf jeden
Fall vereinheitlicht werden und darf nicht abhängig von der
Vertriebsart (Datenträger oder online) sein (S.46).
Weiterlesen
- Florian Rehbein, Matthias Kleimann, Thomas Mößle (2009)
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