Religionsunterricht in der Schule: Ein Auslaufmodell?

Interview des MDR KULTUR mit Michael Domsgen von der Martin-Luther-Universität. Audio 35':47''

Interview des MDR KULTUR mit Michael Domsgen von der Martin-Luther-Universität

Der MDR schreibt dazu:

Die Kirchen verlieren im Jahr 600.000 Mitglieder, zugleich werden Fragen der Religion in Politik und Gesellschaft immer wichtiger. Nicht erst seit dem großen Zuzug von muslimischen Flüchtlingen 2015. Zur Bildung gehört es, mit kulturellen Differenzen umgehen zu lernen. Die Anfang der 90er-Jahre eingerichtete Fächergruppe Ethik/Evangelische/Katholische Religion in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen arbeitet an Konzepten. Wie in Schulen mit Religion und Ethik umgegangen werden sollte, haben wir bei Michael Domsgen von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg nachgefragt.

Audio, 35′:47”
Andrea Lehr-Rütsche
Andrea Lehr-Rütsche
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5 Kommentare

  1. Die Zukunft des bisherigen Faches Religion ist nicht ein Verbund von Evangelisch + Katholisch + Ethik sondern ein Fach das mit sämtlichen Religionen, Konfessionen und Weltanschauungen die in einer Klasse repräsentiert sind, umgehen kann. Für dieses Modell gibt es Ansätze in der Ost-französischen Region Grand Est die kennen zu lernen sich lohnt.
    Wenn der bisherige RU den Weg zu diesem übergreifenden Fach nicht findet wird er wohl verschwinden. Und wenn das jeweils Trennende der Grund ist dafür, warum die Kirchen und Weltanschaungsgemeinschaften nicht zum gemeinsamen Fach fähig sind, dann verschwindet der RU auch zu recht.

  2. Die Zukunft des RU wird ein Unterricht sein, der umfassend neben den klassischen Bildungselementen – Bibelkunde, Kirchengeschichte, Kirchenkunde, Evangelische Ethik – auch Interkulturalität, Politische Bildung und Medienerziehung beinhaltet. Dazu bedarf es einer entsprechenden Lehrer(innen)Bildung mit Lehrinhalten der Unterrichtswissenschaft. – Ein Mix von aus allen möglichen Fächern, also eine Fächerkombination, sollte in der Diaspora tunlichst vermieden werden – vgl. Bernd Schröder(2012): Religionspädagogik, Tübingen; Ulrich Kropac( 2019): Religion Religiosität Religionskultur, Stuttgart.

  3. Natürlich muss der RU der Zukunft offen, fächerverbindend und “mediencompatibel” sein. Er muss vor allem auch stärker auf die unterschiedlichen Lebenssituationen der Schüler/innen eingehen, sie dort abholen, wo sie sich selbst weltanschaulich/religiös (gerade) “verorten”. Dabei müssen umfassende selbstständige Aktivitäten noch mehr gefördert werden. Der RU darf allerdings seine eigentliche Aufgabe nicht vergessen: Jesus Christus als den Sohn Gottes zu verkündigen. Für ein längerfristiges Bestehen des RU werden aber letztlich nicht das ständige weltanschaulich/politische Gerangel, sondern vor allem seine “inneren Qualitäten” entscheidend sein. Der RU darf, muss und kann wieder ein Lieblingsfach werden. Dass dabei sehr viel an der Aus- und Weiterbildung der Lehrkräfte getan werden muss (einschl. Graecum), liegt auf der Hand.

  4. Einen guten und gesegnetenTag,

    ich habe Jahrzehnte lang “Evangelischen Religionsunterricht” erteilt und bin zur Zeit noch im Dekanat tätig. Wie schön war es, eine konstante Gruppe, meist über Jahre zu unterrichten, Muslime habe ich auch dabei gehabt, meistens, wenn ein Teil der Eltern evangelisch gewesen war. Das war sehr angenehm und bereicherte den Unterricht. Auch hatte ich ab und zu katholische Schüler, die einfach die Gruppe gewechselt haben, weil sie mit dem katholischen Lehrer nicht zurecht kamen. Auch das habe ich für positiv gefunden,weil sie ihr Interesse an ihrer Religion nicht von einem Lehrer abhängig gemacht haben. Ein Mal war auch ein Schüler mit jüdischem Glauben dabei, der sich besonders über die vielen Gemeinsamkeiten in der Religion freute. Ich habe aber den Religionsunterricht in evangelischer Prägung nie aufgegeben, denn die kulturelle Erfahrung evangelischer Schüler ist an die kirchliche Erfahrung und Gemeinde gebunden, das darf nie geändert werden. Manchmal haben selbst Schüler den Unterschied zwischen katholischer und evangelischer Religion nicht erkennen können, aber warum ist das so schlimm? Wir lernen dadurch Toleranz gegenüber anders denkenden und praktizierenden Menschen und haben doch nichts Trennendes, denn beide Kirchen verkünden das Christentum. Man kann nicht Religionen nur aus dem Buch kennen lernen, man muss es auch erleben können. Deshalb ist Religionsunterricht und die kirchliche Gemeinde in der die Schule eine wunderbare Erfahrung und Ergänzung zur Erziehung eines Menschen. Die Entscheidung für und dagegen kann der Schüler und spätere Erwachsene dann nach seinem Wissen und Erkenntnis selbst treffen, zuvor muß er es aber erlebt haben, um fundierter urteilen zu können.

  5. Guten Tag

    Um die gesamtgesellschaftlich und nicht nur kirchlich begründeten Bildungsanliegen betreffend Religion und Religionen einzulösen, wäre evtl. ein Fach nötig, das einen forschend-interessierten Standpunkt zunächst ausserhalb einer bestimmten Religionsgemeinschaft einnimmt, sich insofern unbelastet vom Verdacht der Mission bzw. Nachwuchs-Sicherung positioniert und als obligatorisches Fach in einem nicht-konfessionellen Setting Religion und Religionen in den Blick nimmt.

    Genau dies im Fach “Ethik, Religionen, Gemeinschaft (ERG)” innerhalb des Lehrplans 21 der deutschsprachigen Schweiz zu besichtigen, vgl.:
    https://v-ef.lehrplan.ch/index.php?code=b%7C6%7C5
    https://www.ethik-religionen-gemeinschaft.ch

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