Evangelische Religionslehrkräfte fordern: Religionen in der Schule begegnen – Chancen der Verständigung wahrnehmen

Die Arbeitsgemeinschaft Evangelischer Erzieher in Deutschland e.V. (AEED) hat sich mit der aktuellen Diskussion um den Religionsunterricht in Deutschland auseinandergesetzt und gibt dazu folgende Stellungnahme ab:

Die Arbeitsgemeinschaft Evangelischer Erzieher in Deutschland e.V. (AEED)www.aeed.de – ist ein Zusammenschluss von 23 evangelischen Lehrer- und Religionslehrerverbänden aus dem ganzen Bundesgebiet. Die AEED hat sich mit der aktuellen Diskussion um den Religionsunterricht in Deutschland auseinandergesetzt und gibt dazu folgende Stellungnahme ab.

Evangelische Religionslehrkräfte fordern:
Religionen in der Schule begegnen – Chancen der Verständigung wahrnehmen

Religiöse Fragen spielen in unserer Gesellschaft eine immer größere Rolle. Sie sind heute oft mit politisch aktuellen Themen verknüpft, etwa mit den Problemen der Migration oder der Angst vor Terror. Vermeintliche Verteidiger des ‚christlichen Abendlandes‘ stellen in Wahrheit das grundgesetzlich garantierte Fundament der Freiheit und der Würde des Menschen in Frage. Immer mehr Menschen in Deutschland nehmen gegenüber dem Islam eine ablehnende Haltung ein, obgleich sie keinen Muslimen persönlich begegnen und diese Religion kaum kennen.

Umgang mit Religion neu lernen

Jenseits populistischer Angstmache vor „dem Islam“ hat die religiöse Dimension in der Begegnung und im Umgang mit Flüchtlingen bisher kaum eine Rolle gespielt. Wer jedoch genauer hinschaut, sieht eine große Bedeutung des Glaubens sowohl bei orthodoxen Christen aus Syrien und dem Irak, bei Yeziden, bei sunnitischen und schiitischen Muslimen, sowie bei vielen Christen aus afrikanischen Ländern. Darauf ging auch Bundesinnenminister de Maizière ein: „Durch die Menschen, die als Flüchtlinge zu uns gekommen sind, werden wir neu von religiösen Fragen berührt, und damit werden wir umgehen müssen. Wir werden über Religion wieder mehr lernen müssen, um alle Teile unserer Gesellschaft mindestens mal zu verstehen!“ (WELT, 20.9.2016)

Zu Recht weist der Minister darauf hin, dass der Umgang mit religiöser Vielfalt zu den wichtigen Bildungsaufgaben in unserer Gesellschaft gehört. Immer mehr Kinder und Jugendliche in Deutschland haben einen Migrationshintergrund. Die Schule ist der Ort, an dem alle die Möglichkeit haben, Religionen und Weltanschauungen im Unterricht zu begegnen. Dieses Bildungsprofil ist durch das Grundgesetz und die Länderverfassungen vorgesehen. Die Formen des Religionsunterrichts sind den unterschiedlichen Gegebenheiten angepasst und entwickeln sich weiter. In den letzten Jahren ist in mehreren Bundesländern der Islamunterricht hinzugekommen. An verschiedenen Universitäten werden inzwischen Lehrkräfte dafür ausgebildet. Die ersten Lehrerinnen und Lehrer unterrichten bereits an den Schulen. Das Unterrichtsangebot findet große Akzeptanz. Diese Lehrkräfte leisten einen wertvollen Beitrag für die Integration – nicht nur im Hinblick auf die Schule, sondern auch für eine Verständigung zwischen den unterschiedlichen islamischen Richtungen.

Der schulische Religionsunterricht in gemeinsamer Verantwortung von Staat und den betreffenden Religionsgemeinschaften dient nicht nur der Wissensvermittlung, sondern auch der dialogischen Orientierung und der Identitätsfindung. Fragen der Ethik und der Wertorientierung haben hier hohe Priorität! Dies verkennen Gegner des Religionsunterrichts, wenn sie mit einer scheinbar griffigen Formel fordern: „Ethik statt Religion“. Wer sich ernsthaft mit dem modernen Religionsunterricht auseinandersetzt, begreift, dass Religion und Ethik schulisch zusammen reflektiert werden müssen.

Religiöse Vielfalt als Chance sehen

Im Fokus des Religionsunterrichts stehen die Kinder und Jugendlichen mit ihren Fragen und Anliegen. Die Unterschiede in der religiösen und weltanschaulichen Prägung sollen wahrgenommen werden, jedoch nicht ausgrenzend wirken. Konfessions- und religionsübergreifende Projekte und Unterrichtsphasen helfen der Schule, die Herausforderungen der Integration besser zu bewältigen. Es reicht jedoch nicht, die Begegnung zwischen Menschen unterschiedlicher Religionen an den Religionsunterricht zu delegieren. Das Anliegen der Verständigung geht noch über den Religionsunterricht hinaus und betrifft Lehrende und Lernende aller Fächer. Die Evangelische Kirche in Deutschland hat das so formuliert: „Der kompetente Umgang mit der religiösen und weltanschaulichen Vielfalt gehört inzwischen zu den Aufgaben der Schule insgesamt.“ (EKD-Denkschrift „Religiöse Orientierung gewinnen“, 2014, S. 104)

Wir rufen alle in der Bildungsverantwortung Tätigen – beim Staat und bei den Religionsgemeinschaften – auf, sich verstärkt für dieses Anliegen einzusetzen und dem Religionsunterricht in den Schulen den nötigen Raum zu geben. Die Religionsgemeinschaften sollten im Hinblick auf die Schule noch intensiver zusammenarbeiten. So tragen sie dazu bei, für Kinder und Jugendliche eine Schule zu gestalten, in der Dialog und Verständigung von Anfang an eingeübt werden, weil Religion in ihrer Vielfalt nicht ausgeklammert wird.

Münster, 17.10.2016

Arbeitsgemeinschaft Evangelischer Erzieher in Deutschland e.V. – AEED –

Martin Pfeifenberger
Vorsitzender
pfeifenberger@aeed.de
Dr. Manfred Spieß
Sprecher der Kommission für Fragen des Religionsunterrichts
spiess@aeed.de

 

Manfred Spiess
Manfred Spiess

Dr. Manfred Spieß hat viele Jahre in Bremen in der Schule und an der Universität gearbeitet. Schwerpunkt: Religionsunterricht. Seit 2015 als "Ruheständler" noch ein wenig an der Universität Oldenburg aktiv. Besondere Interessen: Interreligiöses Lernen sowie neue Religionsbücher für die Schule. Sprecher der Kommission Religionsunterricht der AEED.
Außerhalb des Arbeitszimmers: Garten!

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