Das brandneue Testament – Filmbesprechung

Originaltitel: LE TOUT NOUVEAU TESTAMENT 111 Min., Spielfilm, Belgien/Frankreich/Luxemburg 2015 Regie: Jaco van Dormael / Produzent: Terra Incognita Films/Climax Films/Après le Déluge/ Juliette Films/Caviar/Orange Studio/VOO/BeTV/RTBF/Belga Prod. FSK: 12, Inhaber der V+Ö-Rechte: Katholisches Filmwerk Gott existiert! Er lebt in Brüssel… Die augenzwinkernde Ausgangslage, in der der Film sein Publikum abholt, mag religionskritisch sein, und das traditionelle Personal…

Originaltitel: LE TOUT NOUVEAU TESTAMENT
111 Min., Spielfilm, Belgien/Frankreich/Luxemburg 2015
Regie: Jaco van Dormael / Produzent: Terra Incognita Films/Climax Films/Après le Déluge/
Juliette Films/Caviar/Orange Studio/VOO/BeTV/RTBF/Belga Prod.
FSK: 12, Inhaber der V+Ö-Rechte: Katholisches Filmwerk

Gott existiert! Er lebt in Brüssel…

Die augenzwinkernde Ausgangslage, in der der Film sein Publikum abholt, mag religionskritisch sein, und das traditionelle Personal christlicher Gotteslehre taugt darin wenig mehr denn als skurriles Versatzstück. Und trotzdem kann man die Grundbotschaft keineswegs defaitistisch oder atheistisch nennen: Chronisch schlechtgelaunte Tyrannen “erschaffen” ja auch unter uns Menschen schreckliche Welten, die man eher als Hölle auf Erden erlebt. Alles kommt auf die Einstellung an. Das nimmt dem Leben zwar keineswegs seinen Schrecken, der mit menschlichen Tragödien drastisch unter die Haut geht (zum Beispiel Gewalt gegen Kinder, Behinderung, psychische Obsessionen). Die können sich jedoch mit Offenheit und unter Verzicht auf allfällige Kontrollwünsche auch in wahre Wunder verwandeln. Dabei verweilt die Kamera bisweilen zu lange auf poetischen Bildern, und die Handlung verliert sich unterdessen ein wenig. Die dabei entworfenen zauberhaften Träume lassen uns nicht nur die schrägen Apostel an ihren Sehnsüchten erkennen (z.B. Versehrte mit Ballet tanzender Hand, unbefriedigte Upperclass-Lady mit wildem Gorilla als Partner, eingeengter Büroangestellter dirigiert in rauer Wildnis Vogelschwärme), sondern auch uns selbst – so wird auch damit die Grundbotschaft wesentlich untermauert.
Mainstream-Kino ist das eher nicht, und so fragt sich nicht nur, ob der Streifen Jugendliche mit ihren vermutlich eher an straighter action orientierten Sehgewohnheiten anspricht. Wer sie mit “Die fabelhafte Welt der Amélie” mitnehmen konnte, mag es mit dieser melancholischen Tragikomödie immerhin versuchen. Mit dem Gedankenexperiment, was sich ändern würde, wenn man den eigenen Todeszeitpunkt kennt, lassen sich hier eher existentialistische Abgründe und weniger die Widersprüche in der traditionellen christlichen Gotteslehre thematisieren. Als lohnend für das Themenfeld “Mensch” dürfte sich die Erschliessung von Porträts der sechs neubestimmten Apostel samt ihrem eifrig mitschreibenden Evangelisten erweisen. Auch wenn Lebensthemen der Pubertät (z.B. Abgrenzungskonflikte mit den Eltern) aufgegriffen werden, wertvoll wird der Film erst durch die mit den Erwachsenen geteilten Erfahrung: Das Leben kann dir übel mitspielen – und du kannst trotzdem Wunder erwarten. Am Schluss läßt die Regie den Ausblick auf eine rosa bestickte schwerelose Utopie etwas knapp ausfallen – so kurz, dass auch mit Jugendlichen trefflich darüber gestritten werden kann, ob das wirklich die Lösung sein kann…sorry, Frauen, auch wenn ihr darin durchaus trendig die Kontrolle am Schluss übernommen habt.
Mein Fazit: Was Menschen mit ihrem Leben und seinen Schicksalsschlägen machen, ist ja wirklich zum Lachen und zum Weinen – Religionslehrkräfte werden den Film dafür mögen, wie er das humorvoll-schräg rüberbringt. Sie werden vielleicht auch auf den Titel des Films angesprochen. “Gott” (hier zweifach überragend stinkstiefelig und pink-penetrant geschauspielert) bleibt letztlich der, der Gutes wie Böses bewirkt. Insofern ist auf dem Weg zur theologisch-analytischen Verwendung des Films im Unterricht der Sek. II noch (zu?) viel didaktische Arbeit übrig – wenn man ihn dort nicht gleich ausschließlich zum entspannten Genuss-Angebot machen will.

Der Spielfilm wurde den Teilnehmer*innen der 45. Medienbörse der Evangelischen und Katholischen Kirche in Wien präsentiert. Das Katholische Filmwerk bietet “Das brandneue Testament” für den Bildungsbereich an, mit Unterrichtsmaterial. Weiteres Unterrichtsmaterial bei vision kino. Und aus dem rpi Hessen.

Michael Beisel
Michael Beisel

Pfr. Michael Beisel ist Lehrkraft für Evang. Religion am Beruflichen Bildungszentrum Ettlingen.

Artikel: 58

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert