Studie: Mehr als eine halbe Million Deutsche internetabhängig – Echt!?

Wenn die Teenie-Tochter das Telefon blockiert ist das nicht tragisch. Man würde wohl kaum von “Telefonsucht” reden. Doch laut der aktuellen PINTA-Studie sind rund fünf Prozent der 14-16-jährigen Frauen internetabhängig, weil sie soziale Netzwerke nutzen. Kann man hier von Sucht sprechen? Diagnose und Behandlung 560.000 süchtig, weitere 2,5 Millionen suchtgefährdet. Das ist das Ergebnis des…

Wenn die Teenie-Tochter das Telefon blockiert ist das nicht tragisch. Man würde wohl kaum von “Telefonsucht” reden. Doch laut der aktuellen PINTA-Studie sind rund fünf Prozent der 14-16-jährigen Frauen internetabhängig, weil sie soziale Netzwerke nutzen. Kann man hier von Sucht sprechen?

Diagnose und Behandlung
560.000 süchtig, weitere 2,5 Millionen suchtgefährdet. Das ist das Ergebnis des PINTA (Prävalenz der Internetabhängigkeit)- Berichts, die gestern vom der Drogenbeauftragten der Bundesregierung, Mechthild Dyckmans, vorgestellt wurde. Sie schlussfolgert daraus:

„Wir brauchen zielgenaue Präventionsarbeit und gute und effektive Beratungs- und Behandlungsangebote besonders für die junge Altersgruppe. Die Computerspiel- und Internetsucht wird im nächsten Jahr ein Schwerpunkt meiner Arbeit sein: Ich werde mich der Frage widmen, wie die Behandlung von Computerspiel- und Internetsüchtigen weiter verbessert werden kann, indem z. B. standardisierte Diagnose- und Behandlungsleitlinien entwickelt werden. Ich möchte zusammen mit Experten klären, ob und wie die Suchtgefährdung in die Altersbewertung von Computerspielen aufgenommen werden kann. Besonders suchtgefährdende Spiele sollten anhand von klaren Kriterien ermittelt werden und eine höhere Altersbewertung erhalten.“

Der PINTA-Bericht lässt sich hier auf den Seiten der Drogenbauftragten herunterladen.

Sich selbsterhaltende Systeme – weitere Studien
„Wir vermuten, dass Mädchen und junge Frauen besonders empfänglich sind für die Bestätigungen, die man in sozialen Netzwerken findet, und dadurch auch eher eine Abhängigkeit entwickeln können“, erklärt Privatdozent Dr. Hans-Jürgen Rumpf von der Universität Lübeck. „Das genaue Ausmaß dieser Störungen können wir aber erst in vertiefenden Befragungen untersuchen.“
Dem PINTA-Bericht lässt sich entnehmen, dass er mit 14.580€ gefördert wurde.
Das Bundesministerium für Gesundheit hat nun eine Folgestudie auf der
Grundlage der PINTA-Studie in Auftrag gegeben. Durch klinische Interviews sollen noch detailliertere Daten zur Verbreitung und zur Diagnose von Internetabhängigkeit gewonnen werden.

Mensch oder Diagnostik?
“Unsere Drogen- und Suchtpolitik stellt den Menschen in den Mittelpunkt” so die Überschrift auf http://www.drogenbeauftragte.de/.
Bleibt zu fragen, ob Diagnostik und Behandlung den (jungen) Menschen in den Mittelpunkt stellen. Vielleicht könnten die erhobenen Zahlen für die Statistiker auch Anlass sein, ihre eigene Haltung gegenüber dem Medium Internet zu überdenken und den Menschen statt der evaluativen Technik in den Mittelpunkt zu stellen. Bildung wäre hier das Schlagwort.

Unterschied der einen Unterschied macht
In der Broschüre Online sein mit Maß und Spaß der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung wird auf auf Seite 11 gewarnt: “In sozialen Netzwerken besteht die Gefahr, dass die virtuellen Beziehungen wichtiger als die echten Kontakte werden.” Der Unterschied zwischen “virtuell” und “echt” müsste man vielen Jugendlichen erst einmal erklären. Natürlich erst nachdem man für sich selbst die Grenze definiert hat.  Gibt es diese Grenze denn überhaupt noch?

rpi-virtuell ist jedenfalls sehr real 😉 Echt!

Jörg (rpi-News-Autor) Lohrer
Jörg (rpi-News-Autor) Lohrer
Artikel: 870

Ein Kommentar

  1. Den Gegensatz von “virtuell” und “real”/”echt” kann man getrost als überholt hinter sich lassen. Diese bewahrpädagogische Haltung wird der heutigen Mediennutzung wirklich nicht mehr gerecht. Medienpsychologisch halte ich allerdings den Begriff “parasoziale Beziehungen” als Bezeichnung nicht nur für TV-Rezeption, sondern auch für manche Bereiche der reinen Online-Kommunikation insofern für zielführend, als Suchtphänomene auch in der Mediennutzung damit genauer in den Blick genommen werden können.

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