Empirische Forschung: Jugendliche und Gewalt

Das Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen (KFN) unter der Leitung von Prof. Dr. Christian Pfeiffer fragt zum Beispiel danach, was Jugendliche straffällig macht. Zu den Ergebnissen: Für die meisten Heranwachsenden gehört Gewalt nicht in den persönlichen Erfahrungsbereich. Insgesamt ist die Jugendgewalt nachweislich rückläufig. Über 50.000 Heranwachsende wurden in den Jahren 2007/08 für den ersten Forschungsbericht des Bundesministeriums des…

Das Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen (KFN) unter der Leitung von Prof. Dr. Christian Pfeiffer fragt zum Beispiel danach, was Jugendliche straffällig macht. Zu den Ergebnissen: Für die meisten Heranwachsenden gehört Gewalt nicht in den persönlichen Erfahrungsbereich. Insgesamt ist die Jugendgewalt nachweislich rückläufig.

Über 50.000 Heranwachsende wurden in den Jahren 2007/08 für den ersten Forschungsbericht des
Bundesministeriums des Innern und des KFN befragt.
Die Ergebnisse, die auf der Befragung von 15-Jährigen basieren, wurden kürzlich veröffentlicht.

Jugendliche in Deutschland als Opfer und Täter von Gewalt

Ein Blick auf die wichtigsten Ergebnisse, basierend auf der Zusammenfassung (2).

  • Für die meisten Jugendlichen gehört Gewalt nicht in den persönlichen Erfahrungsbereich. 
    – 16,8% geben an, in den letzten 12 Monaten Opfer einer Gewalttat
    geworden zu sein. Von leichter Gewalt in der Familie, z.B. einer
    Ohrfeige, berichten rund 21%. Genauso viele geben an, in der Schule
    geschlagen oder getreten worden zu sein.
    – Von Hänseln in der Schule berichten 43,9%. Von Mobbing ähnlichen
    Verhaltensweisen (ignoriert, lächerlich gemacht durch die Lehrkraft,
    Sachen kaputt gemacht) jeder Fünfte bis Zehnte (1, S. 57).
    – Die häufigsten Delikte sind Sachbeschädigungen (14,6%), Ladendiebstähle (13,3%) und einfache Körperverletzungen (11,7%).
  • Die Jugendgewalt insgesamt ist seit 1998 rückläufig.
    Zu diesem Ergebnis kommt die Untersuchung beim Vergleich der Ergebnisse aus den letzten Jahren. 
    – So gaben 1998/99 zwischen 17,3 und 24,9% an, mindestens eine
    Gewalttat begangen zu haben. In den Jahren 2005 bis 2008 sank diese
    Quote auf zwischen 11,5 und 18,1%.
    – Bestätigt wird dieser Trend durch die Daten der Deutschen Gesetzlichen
    Unfallversicherung über die meldepflichtigen Raufunfälle. Diese sanken
    von 15,5% im Jahr 1993 auf 10,8% im Jahr 2007 (3).
  • Prävention und eine geänderte Einstellung zur Gewalt wirken sich positiv aus. 
    – Vermehrt gehen Jugendlichen davon aus, dass Eltern, Lehrkräfte und Freundeskreis gewalttätiges Verhalten eindeutig ablehnen.
    – Auch die Bereitschaft, Gewaltdelikte anzuzeigen, ist gestiegen. Täter
    müssen also damit rechnen, auch offiziel zur Verantwortung gezogen zu
    werden.
    – Die innerfamiliäre Gewalt ist ebenfalls zurückgegangen.
    – Die Studie geht davon aus, dass die in der polizeilichen Statistik
    vorliegende Erhöhung der Delikte darauf zurückzuführen ist, dass
    Gewalttaten eher angezeigt werden.
    – Interessant: Je öfter Jugendliche angeben, dass die Lehrkräfte an der
    Schule bei Gewalt eingreifen, umso weniger negative Erfahrungen gibt es
    dort. Das Verhalten der Lehrkräfte stellt also einen wichtigen Faktor
    bei Schulgewalt und Mobbing dar (1, S. 61).
  • Bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund kommen statistisch mehrere Belastungsfaktoren zusammen. Das führt dazu, dass sie sowohl häufiger Gewaltopfer als auch Täter werden.
    – Jugendliche mit Migrationshintergrund erfahren häufiger
    innerfamiliäre Gewalt. Sie sind häufiger betroffen von
    Belastungsfaktoren, die Gewaltbereitschaft fördern, nämlich Alkohol-
    und Drogenkonsum, gewaltorientierte Männlichkeitsnormen und die Nutzung
    gewaltorientierter Medieninhalte.
    – Sie haben schlechtere Bildungschancen. Haupt- oder Förderschüler
    haben eine höhere Gewaltrate. Der Freundeskreis spielt dabei eine
    wesentliche Rolle: Je mehr Freunde man hat, die straffällig geworden
    sind, umso höher steigt die Wahrscheinlichkeit eigenen gewalttätigen
    Verhaltens.
    – Wenn diese Belastungsfaktoren berücksichtigt werden, verschwindet die
    statistische Bedeutung des Migrationshintergrunds nahezu vollständig. Übersicht über die Belastungsfaktoren (3)
    – Schulische Förderung zeichnet sich als effektiver Weg zur Prävention von Gewalt ab.
  • Der Konsum von legalen Drogen ist weit verbreitet.
    Erfahrungen mit legalen Drogen sind bei Jugendlichen weit verbreitet. Etwa
    ein Viertel bis ein Fünftel konsumiert regelmäßig Alkohol und Nikotin.
    Von illegalen Drogen berichtet nur ein kleinerer Teil.
  • Die Mehrheit der Jugendlichen hat keine
    ausländerfeindlichen Einstellungen. Der Anteil ist in manchen Bereichen
    aber alarmierend hoch.

    – In hohem Maß ausländerfeindliche Einstellungen zeigen 14,4% der Jugendlichen. Eindeutig Rechtsextrem sind 5,2% einzustufen.
    – Festzustellen ist dabei ein Gefälle von Norden nach Süden und von
    Westen nach Osten. Fünfmal so oft wie an Gymnasien ist
    Rechtsextremismus an Förder- und Hauptschulen verbreitet. Jungen sind
    dafür rund dreimal häufiger anfällig als Mädchen  (3).

Weiterlesen

  • (1) Dirk Baier, Christian
    Pfeiffer, Julia Simonson & Susann Rabold:
    Jugendliche in
    Deutschland als Opfer und Täter von Gewalt: Erster Forschungsbericht
    zum gemeinsamen Forschungsprojekt des Bundesministeriums des Innern und
    des KFN (KFN-Forschungsbericht ; Nr. 107)
    . PDF-Datei: mehr
  • (2) Zusammenfassung: Neun Thesen. PDF-Datei: mehr
  • (3) Abbildungen zum KFN-Forschungsbericht; Nr. 107. PDF-Datei: mehr
  • TeachersNews:
    Studie über "Jugendliche in Deutschland als Täter und Opfer von Gewalt" vorgestellt – mehr
  • Teil II: Jugendliche und Computerspiele
    Wer spielt? Wer wird abhängig? Was sind die Gründe? – mehr

 

 

 

 

Julia Born
Julia Born
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